Wie ist die Archivierung des Filmerbes organisiert?

Aus Mangel an einem zentralen deutschen Filmarchiv werden dessen Aufgaben vom Kinematheksverbund übernommen, der tatsächlich auf die Idee des Gründungsdirektors der dffb Dr. Heinz Rathsack zurückgeht, ein zentrales Filmarchiv in der BRD  (als Gegenstück zum Staatlichen Filmarchiv der DDR) zu gründen. Die drei Hauptmitglieder des Kinematheksverbunds, die vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) finanziell unterstützt werden, sind das Bundesarchiv-Filmarchiv (mit ca. 146.000 Filmtiteln eines der größten Filmarchive der Welt), das Deutsche Filminstitut (mit ca. 17.000 Titeln) und die Deutsche Kinemathek (mit ca. 13.000 Filmtiteln).

Als kooptierte Mitglieder gehören dem Kinematheksverbund auch andere Institutionen an, die Filme archivieren, wie z.B. das Filmmuseum Düsseldorf, das Filmmuseum München, das Filmmuseum Potsdam oder das Haus des Dokumentarfilms. Filme liegen darüber hinaus in städtischen und regionalen, in Firmen- und in Privatarchiven.

Wenn man das Filmerbe im weiten Sinne als audiovisuelles Erbe definiert, ist seine Archivierung auch im Deutschen Rundfunkarchiv bzw. in den Produktionsarchiven der Sender organisiert. Ebenfalls dazu gehören dann Einrichtungen wie das Zentrum für Kunst und Medientechnologie (ZKM) in Karlsruhe, die Videokunst und -technik archivieren und restaurieren, oder gar das Computerspielemuseum in Berlin.

Am 31. Oktober 2012 hat das Bundeskabinett eine Pflichtregistrierung für deutsche Kinofilme beschlossen, nach der Produzenten die von ihnen hergestellten Filme in eine Datenbank im Bundesarchiv eintragen lassen müssen. Diese Sammlung von Daten gegenwärtiger und zukünftiger Produktionen soll von einem unter der Federführung der Deutschen Kinemathek erarbeiteten Bestandskatalog der bereits in Deutschland archivierten Filme ergänzt werden.

Eine Pflichtabgabe gibt es in Deutschland erst seit 2004 und nur für mit öffentlichen Geldern geförderte Filme. Das Problem ist dabei die nicht ausreichend präzise Definition des abzuliefernden Materials: Filme können kaum als gesichert gelten, wenn man abgespielte Positivkopien einlagert – oder VHS-Cassetten, wie es bis kürzlich in manchen Bundesländern der Fall war.

Ein Kuriosum ist der § 3 Abs. 4 des Gesetzes über die Deutsche Nationalbibliothek (DNBG), nach dem zu deren Sammelauftrag alle Filmwerke gehören, bei denen die Musik im Vordergrund steht (und die nicht ausschließlich im Fernsehen ausgestrahlt wurden). In den Sammelrichtlinien werden diese Filmwerke weiter spezifiziert als z.B. Konzertmitschnitte, Videoclips, filmische Umsetzungen von Vorlagen des Musiktheaters, Adaptionen von Opern, Operetten, Musicals, Balletten.

Vier Grundprobleme lassen sich identifizieren:

1. Es werden nicht prinzipiell alle Filme gesichert, die in Deutschland hergestellt werden, sondern nur solche, die bestimmte Merkmale wie eine öffentliche Förderung oder eine Auszeichnung aufweisen.

2. Auch die Filme, die nach den bestehenden Parametern gesammelt werden, können nicht alle als gesichert gelten, da die von den jeweiligen Produzenten abgegebenen Belegstücke nicht immer von höchster materieller Qualität sind. Hier fehlen eindeutige Regeln, ganz besonders für die digitalen Formate.

3. Durch den gegenwärtigen Zwang bzw. durch die gegenwärtige Chance, analog produzierte Filme zu scannen und als Digitalisate einem größeren Publikum zugänglich zu machen, werden viele Gelder gebunden. Die Digitalisierung an sich ist aber noch keine Langzeitsicherung (von notwendigen Restaurierungen und Rekonstruktionen ganz zu schweigen). Diese kostet ihrerseits, ob sie nun analog oder digital betrieben wird, sehr viel Geld, das die betroffenen Institutionen nicht haben. Im Bereich Filmerbe fehlt in Deutschland zum einen eine Kultur des privaten Mäzenatentums, und zum anderen ist die Öffentlichkeit (noch) nicht bereit, ähnlich viel Geld aufzuwenden wie beispielsweise in Frankreich.

4. Die Tatsache, dass Filme – auch hier: ob analog oder ob digital – kaputt gehen, und zwar ziemlich schnell, ist zwar keine neue Erkenntnis, sie hat sich aber noch nicht im allgemeinen Denken der Filmbranche verankert. Ansonsten würde man die Archivierung von Filmen schon im Workflow der Produktion mitdenken und ihre Kosten mit einkalkulieren. Produzenten und Rechteinhaber sollten inzwischen wissen, dass sie langfristig von einer professionellen Sicherung des Materials profitieren, da sich immer wieder neue Auswertungsmöglichkeiten ergeben. Auch Regisseure und andere Filmschaffende müssten eigentlich ein Interesse an der Bewahrung des Filmerbes haben, weil die Filmgeschichte zum einen ihre Lehranstalt ist und weil sie zum anderen selbst auch gerne in sie eingehen würden. Trotzdem gibt es in Deutschland keinen Martin Scorsese, der eine Film Foundation gründen würde, die die Arbeit der Archive finanziell unterstützt, didaktisches Material zum Filmerbe produziert und weltweit Werbung für die Sache macht. Was wir in Deutschland brauchen, ist einen Franz Beckenbauer des Filmerbes, eine Lichtgestalt, auf die wir unsere Hoffnungen projizieren können.